Freitag, 24. Februar 2012
Menschliche Kommunikation
Ich stelle hier einen Text zur Diskussion, der zwar schon sechs Jahre alt (von 2006), aber immer noch aktuell ist. Mein Anlaß zum schreiben war damals die Teilnahme an der im Text erwähnten Tagung, der Inhalt ist aber im Wesentlichen unabhängig davon.

Menschliche Kommunikation und die Doppeldeutigkeit von Macht

„Wenn der Mensch gut sein kann, so kann er es nur, wenn er glücklich ist, wenn er Harmonie in sich hat, wenn er liebt.“ Hermann Hesse

Wir Weltverbesserer – dazu zählen die Freiwirtschaftler als eine Fraktion – haben seit jeher immer das gleiche Problem, die Anderen wollen oder können uns nicht verstehen und deshalb bleibt die Welt so, wie sie eben ist (und das wollen oder können wir nicht verstehen).
Ein weiterer Versuch, doch noch etwas zuwege zu bringen, wurde von der Freiwirtschaftsbewegung mit der Klausurtagung vom 23. Bis 26. März in der Silvio Gesell Tagungsstätte in Wuppertal unternommen. Ich denke, der Versuch ist geglückt! Das heißt, die richtigen Fragen wurden gestellt und die Atmosphäre der Tagung und die geschickte (und professionelle) Moderation des Verlaufs durch Prof. Wolfgang Berger und Peter Bauer ermöglichte es, neue Perspektiven zu eröffnen. Ich will hier nur auf einen Aspekt eingehen, der mir als wesentlich erscheint.
Es wurde festgestellt – und das ist eine inzwischen weit und breit unbezweifelte Tatsache – daß wir in einer Welt hoher und noch rasch zunehmender Komplexität leben. Unter diesen Umständen bedarf es einer geeigneten Strategie, um nicht die Orientierung zu verlieren und sich Handlungsfähigkeit zu sichern. Erkenntnisse der Psychologie zu diesem Sachverhalt sind von Management-Beratern aufgegriffen und zu handhabbaren Methoden entwickelt worden. Diese Methoden sind aber in ihrer Wirksamkeit nicht auf die Führung von wirtschaftlichen Unternehmen beschränkt, sondern anwendbar auf jedes zu realisierende Projekt in unserer Menschengesellschaft. Allgemein betrachtet gibt es zwei Grundhaltungen gegenüber Veränderungstendenzen; beide haben ihren Sinn und ihre Berechtigung aber auch ihre Grenzen. Die eine Haltung ist die des Beharrens auf dem Bekannten und Bewährten, die andere ist das genaue Gegenteil, der Aufbruch in neue unbekannte Bereiche. Die gegenwärtige Entwicklung unserer Industriegesellschaft mit ihren zunehmenden Spannungen und Ungleichgewichten scheint eine grundlegende Erneuerung zwingend notwendig zu machen, weil mit den hergebrachten Steuerungsmechanismen die laufenden Prozesse nicht mehr ins Gleichgewicht zu bringen sind. Wenn wir (die Menschheit) uns jetzt von Angst vor dem Unbekannten blockieren lassen, verselbständigen sich diese Prozesse und führen in die Katastrophe (die Angst vor der Katastrophe ist also eine sich selbst verwirklichende Prophezeiung!). Wollen wir das verhindern, so müssen wir uns auf unbekanntes Territorium wagen. Und das trifft in einem umfassenderen Sinn zu, als wir vielleicht zunächst glauben. Denn wir kommen ja als Erneuerer daher mit dem Anspruch, die Lösung oder wenigstens eine Lösung für das Problem zu kennen. Warum glauben uns das so wenige Leute? Wir haben erkannt, das ist ein neues (oder zusätzliches) Problem – ein Problem der Kommunikation. Also machen wir uns Gedanken über Möglichkeiten und Unmöglichkeiten, über Methoden und Strategien der Kommunikation.
So, wie man fast jeden Gegenstand der Betrachtung nach zweierlei Aspekten behandeln kann, dem formalen und dem inhaltlichen, können wir uns auch mit der Kommunikation nach formalen und inhaltlichen Gesichtspunkten befassen. Wenn wir feststellen, unsere sprachliche Ausdrucksweise behindert uns bei dem Versuch, unsere Inhalte zu vermitteln, dann besuchen wir einen Rhetorik-Kurs, um die formalen Hindernisse aus dem Wege zu räumen. Schauen wir noch etwas genauer hin, bemerken wir eventuell, daß wir in unserem Drang, uns mitzuteilen, gar zu sehr drängen und daraus (und aus schlechter und unbewußter Gewohnheit) diffizile Formen von Gewalttätigkeit entstehen; dann belegen wir einen Kurs in gewaltfreier Kommunikation oder kaufen uns eines der guten Bücher, welche es zu diesem Thema gibt. Diese Methoden bewegen sich schon auf einem Terrain, wo es schwierig wird, zwischen formalen und inhaltlichen Aspekten klar zu trennen. Entsprechend reicht es auch in der Regel nicht aus, die Methode zu lernen; man muß sie trainieren, Es ist möglich, sich gewaltfreie Kommunikation formal mehr oder weniger perfekt anzueignen. Entsprechend mehr oder weniger deutlich wird der Effekt sein. Je intensiver wir uns aber darauf einlassen, desto mehr Gewicht erhält der inhaltliche Aspekt. Schließlich kommen wir an einen Punkt, wo es nicht weiter geht, wenn wir nicht unsere eigenen Ziele und unsere Motivation hinterfragen. So haben wir bei der Betrachtung der Hindernisse für unsere Wirksamkeit (als Freiwirtschaftsbewegung) festgestellt, daß es schlecht bei den Menschen ankommt, wenn wir in der Haltung von Besserwissern auftreten und verlangen, man solle sich uns nur anschließen, wir sind die Experten und wissen, wo es lang geht. Daß wir auf diese Weise niemanden (oder nur wenige) erreichen, haben wir erkannt. Welche Schlußfolgerung ziehen wir daraus? Geben wir unsere Besserwisserei auf? Nein! Wir wissen es ja besser, davon sind wir immer noch überzeugt. Wir verschleiern also unsere Besserwisserei durch formale Methoden und das scheint zunächst auch erfolgreich. Wir können damit z.B. erreichen, daß wir durch geschickte Argumentation unseren „Gegnern“ die Argumente wegnehmen, bis sie nichts mehr zu erwidern wissen. Aber wenn wir glauben, wir hätten sie damit auf unserer Seite, dann werden wir früher oder später eine Enttäuschung erleben, denn sobald sich neue Möglichkeiten des Widerspruchs finden, werden sie gegen uns benutzt werden.
Wenn wir also mehr wollen, als nur „recht haben“ müssen wir nachschauen, ob es einen anderen, besseren Weg gibt. Wir müssen einsehen, daß das „recht haben“ auch wenn es sachlich noch so gut begründet ist, nicht die Grundlage für eine wirklich gelingende Kommunikation sein kann. Was dann? Sollen wir Richtiges für falsch und Falsches für richtig erklären? Das kann nicht gut gehen. Was bleibt aber dann für eine Möglichkeit für Diskussion und Verständigung? Die Sache erscheint aussichtslos und ist doch ganz einfach: Wir müssen unseren Gesprächspartner zunächst als Menschen akzeptieren; und zwar bedingungslos! Das heißt, ihn wirklich als gleichberechtigten und gleichwertigen Partner anerkennen. Unsere ganze Zivilisation ruht auf der entgegengesetzten Haltung. Wir kommunizieren mit anderen Menschen in der Absicht, sie zu Mitteln zu machen, zur Verwirklichung unserer Zwecke. Darauf werden wir von klein auf konditioniert; das finden wir so normal, daß wir es schon gar nicht mehr bemerken. Wir wehren uns dagegen, wenn andere das mit uns versuchen, aber auch das wird uns meistens nicht bewußt, weil es so „normal“ ist. Alle Konflikte zwischen Menschen haben darin ihren Ausgangspunkt!
Wenn uns das bewußt wird, gibt es nichts, was uns daran hindert, ab jetzt anders zu handeln und jeden Menschen, dem wir begegnen als ganzen Menschen zu erkennen. Auf dieser Grundlage haben wir keine Schwierigkeiten mehr, zu entscheiden und uns zu einigen, was richtig und was falsch ist. Viele Dinge, über die wir uns heute streiten, verlieren dann vielleicht ihre Bedeutung und wir können sie mit Gelassenheit geschehen lassen und die Kräfte, welche wir jetzt noch im gegenseitigen Ringen verbrauchen, werden frei für neue kreative Unternehmungen im weitesten Sinne.
Diese bedingungslose Offenheit für den Mitmenschen, so einfach sie auch ist, fällt uns schwer, da wir wie gesagt, entgegengesetzt konditioniert sind und nicht einmal uns selbst gegenüber Vorurteilslos sein können.
Sowohl unsere sinnliche Wahrnehmung, als auch unser Verstand funktionieren in erster Linie als Instrumente zur Reduktion der Komplexität der Welt; wir machen uns ein Bild von der Welt und von uns selbst. Für ein begrenztes Wesen ist das notwendig, um sich in der unendlichen Vielfalt des Daseins zurechtzufinden. Aber wir unterliegen gleichzeitig der Illusion, daß wir unser Selbstbild für unser Selbst und unser Weltbild für die Welt halten. Deshalb fühlen wir uns bedroht, wenn Teile dieses Weltbildes und dieses Selbstbildes in Frage gestellt werden und wir reagieren mit Abwehr.
Da wir die Verbindung zu der tiefen und unmittelbaren Quelle unseres Seins weitgehend verloren haben, fühlen wir uns ganz auf das Urteil unseres Verstandes angewiesen, um unsere Existenz zu sichern. Fünftausend Jahre Patriarchat und Machtpolitik und dreihundert Jahre Rationalismus sind Ausdruck dieses Irrtums. Visionen einer herrschaftsfreien Gesellschaft bzw. entsprechende frühgeschichtliche Tatsachen zählen deshalb zu den bestverleumdeten und mißverstandenen Gedanken in der öffentlichen Meinung: Anarchie gilt uns als Chaos und Matriarchat als Weiberherrschaft und jeder rechtschaffene Bürger bekommt eine Gänsehaut, wenn er davon hört. Selbst der streng logische Beweis für die grundsätzliche Unzulänglichkeit formallogischer Systeme (Gödels Unvollständigkeitssatz von 1931), der geeignet ist, unseren (oberflächlichen) Rationalismus vom Sockel zu stürzen, wird weitgehend einfach ignoriert. Und schließlich unsere abendländische Religion, das Christentum, erscheint uns ins Gegenteil seines ursprünglichen Wesens pervertiert als Weltmacht.
Aber die Zeit, in welcher alle diese Vorurteile nahezu uneingeschränkte Geltung hatten, geht ihrem Ende entgegen. An allen Ecken und Enden unserer (westlichen) Zivilisation und auch in den marginalisierten Resten anderer Kulturen rühern sich neue Kräfte und altes und neues Wissen verbindet sich zu einer virulenten Mischung, die mit den Mitteln der alten Gedankenzensur nicht zu fassen und nicht aufzuhalten ist.

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Begrüßung
Hallo, hiermit trete ich in die Bloggergemeinschaft ein. Ich fühle mich ganz als Neuling und bin mir noch nicht im Klaren, wie sich das entwickeln wird.
Meine Absichten, meine Vorstellungen mit diesem Blog möchte ich folgendermaßen beschreiben. Ich beschäftige mich seit vielen Jahren mit unterschiedlichen politischen, historischen, wissenschaftlichen, kulturellen und künstlerischen Themen und tausche mich darüber auch mit Freunden und Bekannten aus; da ich aber etwas abgelegen wohne, ist der Austausch mitunter schwierig und mir nicht ausreichend. Außerdem ist der Kreis des Austauschs auch relativ klein und ich wünsche mir einen größeren Wirkungskreis. Deshalb habe ich schon seit langem überlegt, wie ich die Möglichkeiten des Internets für mich nutzen könne. Da ich andererseits aber auch ein Mensch bin, der große Menschenansammlungen eher meidet und Wert auf einen gewissen Abstand zum öffentlichen Alltag legt, habe ich mich damit ein bißchen schwer getan.
Nachdem ich mich zunächst ein wenig im Netz umgesehen habe, will ich nun die verschiedenen Alternativen ausprobieren. Ich werde also in diesem Blog in nächster Zeit einige Texte zur Diskussion stellen und hoffe auf fruchtbare Resonanz.

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