Samstag, 3. März 2012
Bekenntnis Zweiter Teil
jochen tittel, 17:14h
Ich verwende heute gelegentlich das Wort: Gott. Das bedarf einer eingehenden Erklärung, denn in unserer sogenannten christlich-abendländischen Zivilisation ist dieses Wort mit unterschiedlichen Vorstellungen befrachtet und erzeugt deshalb eher Mißverständnisse als Klarheit.
Ich meine mit diesem Wort das, was man sowohl philosophisch/idealistisch als auch philosophisch/materialistisch als den Ursprung oder die Quelle aller Erscheinungen des Daseins bezeichnen könnte.
Den obigen Spruch könnte ich also auch so formulieren: Die Vielfalt ist die Daseinsweise und Daseinsbedingung unserer Welt.
Nachdem ich feststellen konnte, daß ich mich jetzt in der real-kapitalistischen Welt ebenso fremd fühle, wie seinerzeit in der real-sozialistischen, stellte sich mir wieder die Frage:Wozu bin ich in dieser Welt?
Anstelle diese Frage nun direkt zu beantworten (was ich nur andeutungsweise kann), schweife ich ab in meine Geschichte.
In der DDR aufgewachsen, ist mein atheistischer Lebenslauf kein ungewöhnlicher. Ich habe diesen Atheismus und den philosophischen Materialismus (den dialektischen) ernst genommen und mich bemüht, ihn mir wirklich anzueignen (im Sinne Goethes Ausspruchs vom Erbe).
Bis zum Ende der achtziger Jahre war ich so felsenfest von der Richtigkeit dieser Anschauung überzeugt, daß ich mir nicht vorstellen konnte, daß sich daran jemals etwas ändern könnte. Aber diese Überzeugung rüherte in erster Linie daher, daß mir Niemand und Nichts bisher begegnet war, was meine Überzeugung hätte in Frage stellen können.
Das änderte sich – historisch ist es wohl eher zufällig – mit dem beginnenden Zusammenbruch der DDR. Ein erster Anstoß für meine Zweifel ergab sich bei meinen Marx-Studien, die ich angefangen hatte, weil mir die Unverträglichkeit des offiziellen Marxismus mit den werken von Marx aufgefallen war und ich dort die Möglichkeit und Notwendigkeit sah, einen Hebel anzusetzen.
Bei meiner Beschäftigung mit Marx` religionskritischen Schriften stach mir eine Diskrepanz ins Auge, die einer Erklärung bedurfte. Marx` Kritik an der Religion, die sich hauptsächlich auf das Christentum richtete (wenn sie auch allgemeingültig gemeint war) traf – soweit ich das beurteilen konnte und kann – in jeder Hinsicht zu, soweit man unter Religion das verstand, was ich jetzt als den irdischen Niederschlag von eigentlicher Religion bezeichne.
Für mich deckte sich damals mein Begriff von Religion mit diesem Niederschlag und folglich fand ich auch an Marx` Religionskritik nichts auszusetzen.
Marx war ein sehr gescheiter Mann und hat sich deshalb selten auf Prognosen eingelassen; aber gerade bezüglich der Religion hat er es getan und hat sich geirrt. Er war der Meinung, daß nach der durch Feuerbach und ihn selbst erfolgten Religionskritik die Religion innerhalb weniger Jahre oder Jahrzehnte absterben würde. Als ich das las, waren inzwischen etwa 150 Jahre vergangen und Religion existierte immer noch. Es scheint nur zwei Möglichkeiten zu geben, diesen Dissens zu erklären:
1. Religiosität ist eine so hartnäckige Borniertheit, daß sie sich einfach jedem rationalen Argument verweigert.
Oder
2. Religiosität ist noch mehr, als das, was Marx mit seiner Kritik getroffen hat.
Damals war noch die erste Möglichkeit meine Vorzugsvariante, aber ich hatte die offiziellen Marxisten/Leninisten erlebt, die sich vor die Menschen hinstellten und sich als die Besitzer und Verwalter der Absoluten Wahrheit ausgaben; dabei waren die Lautesten die größten Dummköpfe. (Ich muß hier, um Mißverständnisse zu vermeiden, hinzufügen, daß sich diese Bemerkung ausdrücklich nur auf eine bestimmte Sorte von Agitatoren bezieht.)
Das Wissen um solche Leute hatte mich vorsichtig gemacht und so fing für mich eine Zeit des Suchens und der Neuorientierung an. Ich fand dann auch Menschen und Bücher, die mir einen anderen Blick auf das Phänomen der Religiosität ermöglichten.
Die Folge davon war die für mich zunächst schwer zu verkraftende Erkenntnis, daß die materialistische Weltanschauung auf einem grundlegenden Irrtum beruht, wie ich heute denke. Die materialistische Philosophie und Weltanschauung geht davon aus, daß unseren Sinneswahrnehmungen etwas außerhalb unseres Bewußtseins entspricht, was die Sinnesreize erzeugt; und das Bild, welches wir uns aus diesen Sinneseindrücken von der Welt machen, soll dann ein zumindest teilweise adäquates Abbild der objektiv realen Welt sein. Für die Behauptung aber, daß den Sinnesreizen, die ja Erscheinungen in unserem (meinem) Bewußtsein sind, etwas außerhalb des Bewußtseins gegenübersteht, gibt es keinen Hinweis, geschweige denn einen Beweis.
Mehr will ich an dieser Stelle dazu nicht schreiben. Mir war die materialistische Weltanschauung so lieb und vertraut, daß ich sie nicht aufgeben wollte. Und wenn man nur die Grenzen ihrer Gültigkeit beachtet, halte ich sie nach wie vor für ein großartiges Instrument der Welterkenntnis: Sie ist gültig solange und soweit wir uns selbst als Wesen von dieser Welt anschauen und uns in dieser Eigenschaft in der Welt orientieren wollen.
Ich meine mit diesem Wort das, was man sowohl philosophisch/idealistisch als auch philosophisch/materialistisch als den Ursprung oder die Quelle aller Erscheinungen des Daseins bezeichnen könnte.
Den obigen Spruch könnte ich also auch so formulieren: Die Vielfalt ist die Daseinsweise und Daseinsbedingung unserer Welt.
Nachdem ich feststellen konnte, daß ich mich jetzt in der real-kapitalistischen Welt ebenso fremd fühle, wie seinerzeit in der real-sozialistischen, stellte sich mir wieder die Frage:Wozu bin ich in dieser Welt?
Anstelle diese Frage nun direkt zu beantworten (was ich nur andeutungsweise kann), schweife ich ab in meine Geschichte.
In der DDR aufgewachsen, ist mein atheistischer Lebenslauf kein ungewöhnlicher. Ich habe diesen Atheismus und den philosophischen Materialismus (den dialektischen) ernst genommen und mich bemüht, ihn mir wirklich anzueignen (im Sinne Goethes Ausspruchs vom Erbe).
Bis zum Ende der achtziger Jahre war ich so felsenfest von der Richtigkeit dieser Anschauung überzeugt, daß ich mir nicht vorstellen konnte, daß sich daran jemals etwas ändern könnte. Aber diese Überzeugung rüherte in erster Linie daher, daß mir Niemand und Nichts bisher begegnet war, was meine Überzeugung hätte in Frage stellen können.
Das änderte sich – historisch ist es wohl eher zufällig – mit dem beginnenden Zusammenbruch der DDR. Ein erster Anstoß für meine Zweifel ergab sich bei meinen Marx-Studien, die ich angefangen hatte, weil mir die Unverträglichkeit des offiziellen Marxismus mit den werken von Marx aufgefallen war und ich dort die Möglichkeit und Notwendigkeit sah, einen Hebel anzusetzen.
Bei meiner Beschäftigung mit Marx` religionskritischen Schriften stach mir eine Diskrepanz ins Auge, die einer Erklärung bedurfte. Marx` Kritik an der Religion, die sich hauptsächlich auf das Christentum richtete (wenn sie auch allgemeingültig gemeint war) traf – soweit ich das beurteilen konnte und kann – in jeder Hinsicht zu, soweit man unter Religion das verstand, was ich jetzt als den irdischen Niederschlag von eigentlicher Religion bezeichne.
Für mich deckte sich damals mein Begriff von Religion mit diesem Niederschlag und folglich fand ich auch an Marx` Religionskritik nichts auszusetzen.
Marx war ein sehr gescheiter Mann und hat sich deshalb selten auf Prognosen eingelassen; aber gerade bezüglich der Religion hat er es getan und hat sich geirrt. Er war der Meinung, daß nach der durch Feuerbach und ihn selbst erfolgten Religionskritik die Religion innerhalb weniger Jahre oder Jahrzehnte absterben würde. Als ich das las, waren inzwischen etwa 150 Jahre vergangen und Religion existierte immer noch. Es scheint nur zwei Möglichkeiten zu geben, diesen Dissens zu erklären:
1. Religiosität ist eine so hartnäckige Borniertheit, daß sie sich einfach jedem rationalen Argument verweigert.
Oder
2. Religiosität ist noch mehr, als das, was Marx mit seiner Kritik getroffen hat.
Damals war noch die erste Möglichkeit meine Vorzugsvariante, aber ich hatte die offiziellen Marxisten/Leninisten erlebt, die sich vor die Menschen hinstellten und sich als die Besitzer und Verwalter der Absoluten Wahrheit ausgaben; dabei waren die Lautesten die größten Dummköpfe. (Ich muß hier, um Mißverständnisse zu vermeiden, hinzufügen, daß sich diese Bemerkung ausdrücklich nur auf eine bestimmte Sorte von Agitatoren bezieht.)
Das Wissen um solche Leute hatte mich vorsichtig gemacht und so fing für mich eine Zeit des Suchens und der Neuorientierung an. Ich fand dann auch Menschen und Bücher, die mir einen anderen Blick auf das Phänomen der Religiosität ermöglichten.
Die Folge davon war die für mich zunächst schwer zu verkraftende Erkenntnis, daß die materialistische Weltanschauung auf einem grundlegenden Irrtum beruht, wie ich heute denke. Die materialistische Philosophie und Weltanschauung geht davon aus, daß unseren Sinneswahrnehmungen etwas außerhalb unseres Bewußtseins entspricht, was die Sinnesreize erzeugt; und das Bild, welches wir uns aus diesen Sinneseindrücken von der Welt machen, soll dann ein zumindest teilweise adäquates Abbild der objektiv realen Welt sein. Für die Behauptung aber, daß den Sinnesreizen, die ja Erscheinungen in unserem (meinem) Bewußtsein sind, etwas außerhalb des Bewußtseins gegenübersteht, gibt es keinen Hinweis, geschweige denn einen Beweis.
Mehr will ich an dieser Stelle dazu nicht schreiben. Mir war die materialistische Weltanschauung so lieb und vertraut, daß ich sie nicht aufgeben wollte. Und wenn man nur die Grenzen ihrer Gültigkeit beachtet, halte ich sie nach wie vor für ein großartiges Instrument der Welterkenntnis: Sie ist gültig solange und soweit wir uns selbst als Wesen von dieser Welt anschauen und uns in dieser Eigenschaft in der Welt orientieren wollen.
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